Deutsche Pokaleinzelmeisterschaft 2013 in Kassel

Stefan Wickenfeld berichtet

Stefan WickenfeldAm Donnerstagmorgen war es endlich so weit. Die Deutsche Pokaleinzelmeisterschaft 2013 wurde Kassel ausgetragen. Und ich war dabei.

Der Weg, eine Teilnahmeberechtigung für dieses Event ergattern zu können, war lang und steinig. Bereits am 26 November 2011 musste die erste Hürde, der Dähne-Pokal des Schachbezirks Herne, gemeistert werden. Ich bekam damals Jenny in der ersten Runde und Thomas Schriewer in der zweiten Runde, welche wegen einer geringen Teilnehmerzahl schon das Halbfinale darstellte. Schon aus dem Bezirk „herauszukommen“ bedurfte jeder Menge Glück und Können sowie (für Pokalfights üblich) starke Nerven. Besonders im Spiel gegen Thomas musste ich alle drei Aspekte voll ausreizen. Die damals vernichtende Niederlage gegen Christopher wurde mir zum Glück mit der Qualifikation für die Verbandseinzelmeisterschaft im Frühjahr 2012 versüßt.

So schön das Ruhrgebiet mit all seiner Vielfalt auch ist, bedeutet es für ambitionierte Schachspieler auch immer wieder Probleme. Denn das wohl schwerste Teilstück nach Kassel muss ein Schachspieler auf der Verbandsebene im Schachverband Ruhrgebiet zurücklegen. Hier tummeln sich jedes Jahr mehrere Spieler mit Zahlen von 2000+ herum, sodass der Vergleich mit einem Haifischbecken alles andere als abwegig erscheint. Mein Weg ins Finale führte über Marcel Quast, Frank Karger und (wieder im Halbfinale) Thomas Schriewer. Die Finalniederlage gegen Holger wurde mir dann wieder durch die Qualifikation für die NRW-Einzelmeisterschaft im Herbst 2012 versüßt.

Nachdem ich hier gegen Daniel Korth gewonnen und die nächste Runde kampflos weiterkam stand ich nun ein weiteres Mal im Finale. Auch dieses ging gegen Holger verloren. Doch (ihr könnt es euch schon denken) wurde mir wieder mal versüßt. Ich durfte an der deutschen Pokaleinzelmeisterschaft 2013 teilnehmen.

Eine Odyssee, durch drei Verbände, in verschiedenste Städte und Spiellokale in ganz Nordrheinwestfalen, gegen die unterschiedlichsten Spieler, nach unbeschreiblichen Nervenschlachten in Verbindung mit einer schier unzählbaren Anzahl von Schrecksekunden und zahlreichenden bemerkenswerten Partien und über einer Dauer von mehr als Eineinhalbjahren, sollte also jetzt in Kassel ihr Ende finden.

So sehr mir auch die Finalniederlagen immer wieder versüßt wurden, war die Zielsetzung für diese Veranstaltung für mich klar: Nicht schon wieder Zweiter werden!

In Runde eins hatte ich schon mit der Auslosung das Glück auf meiner Seite. Zwar hatte ich die Schwarzen Steine zugelost bekommen, doch einer der Titelträger und großen Turnierfavoriten blieb mir erspart. Zudem war mein Gegner Werner Frey sehr sympathisch und wir kamen auch in den folgenden Tagen immer mal wieder ins Gespräch. Die Partie war soweit nichts Besonderes. Wir tasteten uns langsam ab, lauerten auf Fehler und das eigentliche Ziel des Spiels mattzusetzten haben wir gekonnt ignoriert. Bloß nicht verlieren und alles getreu dem Motto: „Was du nicht willst, dass man dir tu’, das füg’ auch keinem anderen zu.“ Da wir jedoch auch keine Entscheidung im Blitzen herbeisehnten, zogen wir ganz munter immer abwechselnd weiter. Erst als nach einigen Stunden Spieldauer und 51 Zügen meinem Gegenüber ein grober Schnitzer unterlag fand die Partie ein Ende.

Am Nachmittag musste ich dann gegen den niedersächsischen Meister Uwe Twele antreten. Wieder kein Titelträger und diesmal spielte ich mit Weiß. Das Ziel stand somit fest: Einzug ins Viertelfinale. Die Runde der besten 8 war möglich. Ich eröffnete mit meinem „Standardaufbau“ und die typischen Ideen und Motive der Stellung waren mir vertraut. Meinem Gegner gefiel seine Situation sichtlich nicht. Sowohl die passive Stellung auf dem Brett, als auch die nervliche Anspannung waren problematisch. Eine riskante Lösung seiner passiven Stellung durch einen aktiven Befreiungsschlag am Königsflügel zu versuchen, traute er sich jedoch auch nicht. Am Ende war die Partie völlig an ihm vorbeigegangen und ich konnte mich über den Einzug ins Viertelfinale freuen. Als ich mich am Ende in mein Bett legen konnte, wurde der perfekte Tag abgerundet. Befürchtungen ich könne wegen der Aufregung nicht einschlafen haben sich als völlig absurd herausgestellt. Nach einem der härtesten Feiertage meines Lebens war nur noch an eine gute Portion Schlaf zu denken.

###pgn###[Event "Deutsche Pokaleinzelmeisterschaft 2013"]
[Site "Kassel"]
[Date "2013.05.30"]
[Round "2"]
[White "Wickenfeld, Stefan"]
[Black "Twele, Uwe"]
[Result "1-0"]
[ECO "D02"]
[PlyCount "93"]

1. d4 d5 2. Nf3 Nf6 3. g3 g6 4. Bg2 Bg7 5. O-O O-O 6. b3
c6 7. Bb2 Ne4 8. Nbd2 f5 9. c4 e6 10. e3 Nd7 11. Qc2 Re8 12. b4 Nxd2 13. Nxd2
Nf6 14. Rfc1 Bd7 15. a4 a6 16. Qb3 Ne4 17. Rc2 h6 18. Rac1 Kh7 19. Bf1 Rg8 20.
b5 Qe8 21. cxd5 Nxd2 22. Rxd2 exd5 23. bxa6 bxa6 24. a5 Qe6 25. Ba3 Rgb8 26.
Qc3 Bf6 27. Rb2 Bd8 28. Rcb1 Rb5 29. Bxb5 axb5 30. Bb4 Ra6 31. Ra1 Be7 32. Bxe7
Qxe7 33. Qc5 Qxc5 34. dxc5 Kg7 35. Rb4 Kf6 36. Kf1 Bc8 37. Ke2 Ra7 38. Kd3 Ba6
39. Kc3 Re7 40. Rd4 Re8 41. Kb4 Re6 42. Rg1 Bc8 43. g4 Re5 44. gxf5 g5 45. h4
Rxf5 46. hxg5+ hxg5 47. f4 1-0%%%pgn%%%

Die Ruhe war jedoch am nächsten Morgen verflogen. Jetzt war ich also da. Im Viertelfinale der Deutschen Pokaleinzelmeisterschaft. Ich und sieben andere. Einer von uns würde der Deutsche Pokaleinzelmeister 2013 werden. Noch drei Siege und das, wovon nicht zu träumen war, würde wahr werden. Mein Gegner war Hagen Poetsch. Internationaler Meister, im Kader der Deutschen Nationalmannschaft, bei diesem Wettbewerb an eins gesetzt und Topfavorit auf den Titel. Ein schlimmeres Los war nicht möglich. Als ich am Morgen Richtung Turniersaal lief, kam es mir vor als ob ich in wenigen Minuten meiner eigenen Hinrichtung beiwohnen würde. Glücklich einzig und allein darüber, dass uns das Los Brett drei beschert hat, an welchem die Partie nicht ins Internet übertragen wurde. Schaulustige gab es ohnehin genug, da parallel die Deutsche Amateurmeisterschafft ausgespielt wurde und der riesige Saal gefüllt war mit Menschen, welche ihr Leben lang ein Brett vor dem Kopf haben. Doch als ich dann am Turniersaal ankam begann die Motivationsmusik (aus dem Musical „Chess“ One Night in Bangkok) der Meisterschaft, welche vor jedem Rundenbeginn den Raum einnahm. Im Grunde genommen hatte ich nichts zu verlieren und mein langer Gang zum Brett war kein müßiger zum Schafott, sondern ein Siegesmarsch! Die Partie zeigte auch kein anderes Bild. Von einem Klassenunterschied zwischen einem Profi und einem Amateurspieler konnte nicht die Rede sein.  Bis zum 32. Zug war die Partie völlig ausgeglichen und die Partie war eigentlich unverlierbar. Aber „eigentlich unverlierbar“ ist nun Mal leider nicht dasselbe wie „unverlierbar“. Er ist für seine enorme Blitzstärke bekannt, deshalb riskierte ich mehr und wollte unbedingt gewinnen und dieser Stärke von ihm aus dem Wege gehen. Eines muss man mir jedoch lassen. Letzteres habe ich mit Bravour geschafft. Nach einer Kombination von ihm kam ich zwar in den Besitz von einem Turm und einem Springer, einer seiner Bauern machte jedoch dafür groß Karriere und wurde zur Dame. Es gibt wahrlich viele schöne Momente mit Damen in meinem Leben, dieser zählt jedoch nicht dazu… . Alle Bemühungen noch eine Festung aufzubauen, ein letztes Aufbäumen mit der Agonie eines sterbenden Monarchen halfen nichts gegen die fehlerlose Technik des späteren Deutschen Pokalsiegers. Zunächst war die Enttäuschung groß, doch mittlerweile weicht sie dem Stolz in die Runde der letzten acht gekommen zu sein. Positiv ist zudem, dass ich durch dieses Ergebnis meine Zielsetzung in vollem Umfang erfüllt habe. Ich wurde nicht Zweiter. Möglicherweise sollte ich zukünftig etwas genauere Ziele und Wünsche definieren.

Die anderen beiden Partien in der Trostrunde gegen die Fidemeister Dirk Paulsen und Hauke Reddmann bin ich dann nicht mehr mit 100 % Einsatz angegangen, was sich daraufhin auch in den Ergebnissen widerspiegelte. Vor allem am Samstag war es ein kurzes Vergnügen. Während alle Partien von mir mehr als vier Stunden dauerten, gab ich in der letzten Runde schon während der ersten Stunde auf.

Dafür konnte ich die verbleibende Zeit in Kassel zur Stadtbesichtigung nutzen. Auch eine Simultan Veranstaltung von Judith Fuchs sorgte für einige Perlen der Schachkunst. Insgesamt wurde von den Turnierorganisatoren vor Ort einiges geboten, sodass vermutlich nicht die Spieler, sondern die Organisatoren die beste Leistung des Turniers ablieferten. Die drei stündige Abschlussgala am Abend war dann noch einmal ein voller Erfolg dieser drei tägigen Veranstaltung, sodass am Ende ein alles in allem geschaffter, aber glücklicher Stefan ins Ruhrgebiet zurückkehren konnte.

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Kommentare

Gratuliere nochmals zu dieser Teilnahme, Stefan. Du hast mit deiner Teilnahme natürlich den SKS noch interessanter gemacht !

Ein super Artikel !!!!!
Meinen Glückwunsch zum Einzug ins Viertelfinale !
Weiter so, die Zukunft ist Dein !!!

Ein spannungsgeladener Bericht!

Wie Kai schon sagt, in deinem Leben werden es noch einige Pokalschlachten geben.
Gegen den Pokalsieger auszuscheiden und zwei weitere Titelträger zu verlieren ist keine Schande.
Es ist auch keine Selbstverständlichkeit, die 2100er zu schlagen. Glückwunsch!!
Alles was Du brauchtest ist eine glückliche Auslosung für die Dritte Runde…
Dann wärst Du bestimmt wieder zweiter :)

Lieber Stefan,

ein sehr gut geschriebener Bericht. Meine Anerkennung.

Du wärst sicherlich ins Finale gekommen, wenn Du Deine Gegner hochgradig verwirrt hättest, z.B. durch das Vorspielen einer Deiner Partien aus den Mannschaftskämpfen.

Weiterhin viel Erfolg wünscht ein alter Mann.

Hallo Stefan,
super schöner Bericht und Gratulation zu deiner suppi guten Leistung.
NRW hat 2 würdige Vertreter nach Kassel gesendet,die im Konzert der “Großen” den Laden gut gerockt haben.
Wünsche Dir für deine weitere Schachkarriere viel viel Erfolg!!
Liebe Grüße
Holger Heimsoth

Hallo Stefan,
toller Bericht, tolle Turnierleistung.
Weiter so.

Vielen lieben Dank euch allen für die schönen Glückwünsche.
Ich habe mich über jeden unglaublich gefreut.
Ich möchte mich auch bei allen bedanken, die mich in der ganzen Zeit unterstützt haben und bei Heim- und Auswärtsspielen bei mir waren und mitgezittert haben. Da bei einem Pokal regelmäßig nur eine Partie ausgetragen wird ist es normal, dass es sich um keinen Publikumsmagneten handelt. Das mich auf dem ganzen Weg immer jemand begleitet hat war und ist einfach großartig! Vielen vielen Dank!
Vielen Dank auch dir Bernhard. Ein Lob von dir bezüglich meines Berichts bedeutet mir besonders viel.

Ich muss dir voll und ganz zustimmen Holger. Die Leistungen waren super. Meinen Glückwunsch noch einmal zu deinem hochverdienten 3. Platz. Es war ein super Turnier und hat Spaß mit dir gemacht.
Alles Gute
Stefan

Ich verspreche, falls wir uns noch mal beim Dähne sehen, mitzublitzen. Normalerweise steht bei *mir* die 1:30 :-)

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